Wir dokumentieren diesen Brief hier leicht gekürzt.
Sehr geehrter Herr Mindrup[1],
[…]Ich bin Gebäude-Energieberater und als solcher intensiv im Bereich Gebäudesanierung tätig[2], indem ich Planungs- und Baubegleitung mache und z.B. der KfW gegenüber die korrekte Durchführung der Maßnahmen nachweise und bestätige.
Aus meiner leidigen Erfahrung kann ich berichten, dass die korrekte Ausführung von Sanierungsmaßnahmen im Gebäudebereich keine Selbstverständlichkeit ist, sondern von vielen Handwerkern ebenso wie von Bauherren eher als lästiges Übel wahrgenommen wird, dem man nur Folge leistet, weil es halt so Vorschrift ist und ich als „Aufpasser“ ein Auge darauf habe. Dabei ist es so, dass nicht fachgerecht ausgeführte, aber vom Aufwand her deutlich einfachere und damit billiger durchgeführte Maßnahmen letztlich nicht nur den Zweck (Einsparung von Primärenergie zum Heizen und damit Einsparung von CO2-Ausstoß und Schonung des Geldbeutels der Hausbewohner) gefährden, sondern vor allem ein erhebliches Risiko von Bauschäden (insbesondere Feuchteschäden durch nicht fachgerecht abgedichtete Dämmungen, nicht oder falsch berücksichtigte Wärmebrücken usw.) nach sich ziehen.
Wenn nun, wie im vorliegenden Entwurf zur steuerlichen Anrechenbarkeit energetischer Sanierungen vorgesehen, der Fachunternehmer selbst bescheinigen darf, dass er verordnungskonform gebaut hat, dann untergraben Sie damit die bislang aus gutem Grund vorgenommene saubere Trennung von Interessen, nach der ein unabhängiger Fachmann bescheinigen musste, dass fachgerecht im Sinne der Verordnungen geplant und gebaut wurde.
Das Resultat wird sein, dass diese Vorgehensweise die Handwerker in einen Interessenkonflikt zwingt und wir in den Zustand zurückfallen, den wir vor Jahren bereits hatten: Es wird wieder unqualifiziert, aber damit auch deutlich billiger gearbeitet und vor allem angeboten. Das führt zwangsläufig dazu, dass Fachunternehmer, die fachgerecht anbieten, keinen Auftrag mehr bekommen werden, weil das zwangsläufig teurer ist, als die „abgespeckte“ Version, bei der die lästigen Feinheiten weggelassen werden. Auf dem Papier sieht aber wieder alles wunderbar aus, weil der Fachunternehmer sich ja selbst bescheinigen darf, dass alles ordnungsgemäß ausgeführt wurde. Sie verstehen, worauf ich hinaus will?
Diesen Zustand hatten wir vor Einführung der Pflicht zur „Bestätigung zum Antrag“ und der „Bestätigung nach Durchführung“ durch einen unabhängigen Energieberater und die damit verbundene Einführung der Energie-Effizienz-Expertenliste: Die Subventionen wurden gerne eingestrichen, die Regeln aber wo irgend möglich umgangen. Mit dem Ergebnis, dass bis heute unglaublich viele Menschen glauben, dass energetische Sanierung von alten Häusern zwangsläufig zu Schimmel im Hause und damit zu Bauschäden führt. Das aber ist NUR GENAU DANN richtig, wenn man ohne Sachverstand einfach irgend eine Dämmung in die Wand baut, so simpel wie nur irgend möglich und sich keine Gedanken darüber macht, wie mit Wärmebrücken, Feuchtetransport, Luftdichtigkeit, Belüftung der Räume usw. umgegangen werden soll. Also eben hau-ruck, der Handwerker macht das schon…
Nach meiner Einschätzung und Erfahrung erreichen wir mit dieser Förderung nicht fachgerechter Sanierungsmaßnahmen diese 4 Dinge:
1. Wir bekommen jede Menge Gebäude mit Feuchteschäden, die die Bausubstanz gefährden und mit enormem finanziellen Aufwand durch die Eigentümer wieder beseitigt werden müssen.
2. Wir werden die angestrebte Senkung des CO2-Ausstoßes nicht erreichen können, da ein feuchtes Mauerwerk mit einer feuchten Dämmung im Extremfall sogar schlechtere Wärmedämmeigenschaften hat, als trockenes Mauerwerk ohne Dämmung.
3. Wir gefährden die Gesundheit der Bewohner vieler solchermaßen schnell und billig „sanierter“ Gebäude durch den zu erwartenden Schimmelbefall.
4. Wir ruinieren die Bereitschaft der Bevölkerung zu energetischer Sanierung von Wohnraum nachhaltig, indem sich die scheinbar gesicherte Erkenntnis durchsetzt, dass energetische Sanierung immer zu Feuchte, Schimmel und dergleichen führt und finanziell nichts bringt.
Die ersten drei Punkte sind unerfreulich und werden sicher nach wenigen Jahren sichtbar werden, weil sich die Feuchteschäden summieren und weil die CO2-Bilanz anhand der tatsächlich verbrauchten Primärenergie zum Heizen aufzeigen wird, dass hier etwas nicht funktioniert. An dieser Stelle kann man dann sicher noch versuchen gegenzusteuern, aber der 4. Punkt wird das nachhaltig verhindern: Eine Bevölkerung, die gelernt hat, dass energetische Sanierung Unsinn und gefährlich ist, wird hier kaum mehr zu einem Engagement zu bewegen sein. Das halte ich für die schlimmste Folge der geplanten Vorgehensweise!
Fazit:
Wollen wir ernsthaft wieder dahin zurück? Ich verlege meine Tätigkeit dann in den Bereich Schimmelberatung, daran soll meine berufliche Existenz keinen Schaden nehmen. Aber erfreulich und anstrebenswert finde ich diesen Zustand nicht und im Sinne der Erreichung der Klimaschutzziele ist es auch nicht. Oder glaubt jemand ernsthaft, dass auf dem Papier eingehaltene Dämmmaßnahmen wirklich im gebotenen Maße den C02-Ausstoß reduzieren?Wenn wir die Klimaschutzziele für den Gebäudebereich erreichen wollen, dann brauchen wir an dieser Stelle einen leidenschaftlichen Streiter für eine in der Realität wirksame Regelung und gegen Papiertiger, die nur rein rechnerisch die dringend benötigten Ergebnisse liefern!
Finde ich diesen Streiter in Ihnen?
Mit freundlichen Grüßen
Werner Wassermann
[1] Klaus Mindrup ist im Bundestag Mitglied in den Ausschüssen für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen und für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und stellvertretendes Mitglied im Finanzausschuss.
[2] Werner Wassermann ist Staatlich geprüfter Physiker und Mathematiker und Gebäudeenergieberater (HWK), arbeitet als Energieberater in Landscheide und Holm (Schleswig-Holstein) und ist Mitglied im GIH Nord.